„Wenn man bis zum Hals in der Scheiße steckt, kommen die Leute und trampeln so lange auf einem herum, bis der Kopf auch noch darin versinkt.“
Und auf einmal ist dein ganzes Leben für die Katz. So geht es Thomas Kern von heute auf morgen. Heute sieht er noch eine seiner Patienten in den Freitod stürzen und morgen wird er verdächtigt genau diese vergewaltigt zu haben. Alle Beweise, die seinen Kopf aus der Schlinge ziehen würden, sind nicht auffindbar. Und zu allem Überfluss existiert auch noch ein einschlägiger Brief, in dem das Opfer von Kern als Täter spricht. Das gesamte Leben des Psychoanalytikers steht Kopf, als ihm auch noch seine Tochter den Rücken zuwendet und er von seinen Kollegen gemieden wird. Eine solche Anschuldigung hinterlässt halt immer einen faden Beigeschmack.
Christian Kraus spielt mit der Psyche des Protagonisten und die der Leser gleichermaßen. Dass er selbst vom Fach ist, merkt man beim Lesen seines Psychothrillers. Zwar ist einem schon sehr früh klar, ob das alles wirklich so passiert ist, wie es vom Opfer geschildert wurde, oder doch nur frei erfunden ist, diese Tatsache stört den Verlauf der Geschichte allerdings nicht.
Es kam Thomas so vor, als wäre es leichter, den Regen mit den bloßen Händen einzufangen, als das Vertrauen seiner Tochter wiederzugewinnen.
Was für mich schwierig war, sind die ganzen Figuren, die die Bühne betreten. Hier ein Name, dort ein neuer, anschließend geht es wieder um Kern, dann um das Opfer und schließlich tauchen zig neue Personen auf, die allesamt in der auktorialen Erzählweise zu Wort kommen. Diese Sprünge waren mir zuviel des Guten. Ich fand es schwierig sie alle auseinanderzuhalten und der Geschichte zu folgen.
Christian Kraus schreibt immer mal wieder aus der Vergangenheit einer bestimmten Figur, was teilweise interessant zu erfahren war, mich auf der anderen Seite aber immer wieder aus der Gegenwart gerissen hat. Die Ermittlungen kamen zum Stillstand. Ich kam mir vor wie auf der Autobahn bei einem „Stop and Go“, was mich sehr genervt hat. So wurde die Spannung, die die gesamte Zeit über nur als ein Funken zu bemerken war, wieder komplett gelöscht. Erst zum Ende hin, loderte sie als Feuer, das war mir persönlich aber viel zu spät.
„Erkenne dein Licht! Es gehört dir, niemandem sonst. Nimm es und zieh in die Welt hinaus! Bringe es zum Leuchten!“
„Nichts wird dir bleiben“ hat sehr viel Potenzial, was leider nicht zu 100% genutzt wurde. Viele Figuren und viele Rückblicke brachten das Tempo und die Spannung zum Erliegen. Letzteres war erst kurz vorm Ende des Buches richtig da, was mir bei einem Psychothriller viel zu spät ist. Alles in allem fühlte ich mich gut unterhalten, vom Hocker gerissen hat mich dieses Buch aber leider nicht.
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